Es braucht starke soziale Bewegungen

Über 50 Menschen besuchten die Podiumsdiskussion „Pödelwitz? Ey Digger, bagger mich nicht an!“ zu den sozialen und ökologischen Folgen des Braunkohleabbaus in der Region Leipzig. Die Veranstaltung wurde vom „Bündnis Pödelwitz bleibt“ und „Prisma – Interventionistische Linke Leipzig“ gemeinsam organisiert.

In den randvollen Räumen der Rosa-Luxemburg-Stiftung diskutierten Felix Schultz von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Christopher Laumanns (Bündnis Pödelwitz bleibt!), Selma Richter (Klimagerechtigkeitsaktivistin) und Pao-Yu Oei (wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Technik und Infrastruktur, TU Berlin) unter der Moderation von Laura Rehberger miteinander und mit dem Publikum. Themen waren die Situation des von Abbaggerung bedrohten Dorfs Pödelwitz und wie der Kohleausstieg schnell und sozial-verträglich erfolgen kann.

Um den Klimawandel und dessen fatale soziale und ökologische Folgen abzumildern ist ein sofortiger Kohleausstieg notwendig. Da dieser von der Bundespolitik nicht zu erwarten ist -denn bereits jetzt ist klar, dass Deutschland seine Klimaziele für 2020 nicht einhalten kann- brauchen wir soziale Bewegungen, die diesen einfordern und selbstbestimmt gestalten. Sozial-gerechter Kohleausstieg bedeutet auch die Perspektive der Beschäftigten in den Tagebauen und Kraftwerken einzubeziehen und die Energieversorgung mit erneuerbarer Energie grundsätzlich anderes zu organisieren. Demokratisch, dezentral und ressourcenschonend. „Die Kommunikation zwischen Aktivist*innen, Anwohnenden und den Beschäftigten der Braunkohleindustrie bleibt weiterhin wichtig,“ fasste Laumanns am Ende der Diskussion zusammen. Er schlug vor, dass das Protestbündnis „Pödelwitz bleibt!“ und die IG BCE eine Kommission „von unten“ bilden, um den Kohleausstieg in der Region voranzutreiben. Diese könne sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und einen selbstbestimmten Gegenentwurf zu den Vorschlägen der vom Bund eingesetzten, wirtschaftsnahen „Kohlekommission“ erarbeiten.

Einig waren sich die Podiumsteilnehmer*innen darin, dass in punkto Kohleausstieg dringend Handlungsbedarf besteht. Schultz forderte die Politik auf ausreichend Mittel zur Verfügung zu stellen, um eine sozial verträgliche Abwicklung der Braunkohleindustrie möglich zu machen. Wichtig sei, dass alternative Arbeitsverhältnisse für die derzeit in der Braunkohleindustrie Beschäftigten vergleichbar gute tarifliche Konditionen und gesicherte gewerkschaftliche Mitbestimmung böten. Durch eine historisch erfolgreiche gewerkschaftliche Organisierung der Arbeiter*innen in der Braunkohleindustrie, sind dort die Arbeitsbedingen im Vergleich zu Anstellungsverhältnissen in den den erneuerbaren Energien deutlich fairer.

Pao-Yu Oei, betonte, dass der Kohleausstieg innerhalb von 20 Jahren ohne größere soziale Verwerfungen möglich sei und warf der Politik vor bei den erneuerbaren Energien versagt zu haben. „Wir müssen mit dem Kohleausstieg anfangen und uns danach um Verkehr, Wärmedämmung und die internationale Verflechtung der Kohleverstromung kümmern.“ Er betonte, dass der Kohleausstieg nur gemeinsam machbar wäre: „Für Politik und Industrie sind solche Beteiligungsprozesse neu.“

Selma Richter bezeichnete den Klimawandel als „humanitäre Katastrophe“ und wies darauf hin, dass die Kohleverstromung in Deutschland verheerende Auswirkungen in Ländern des globalen Südens habe. Deswegen erfordere es „starke soziale Bewegungen, um die Politik unter Druck zu setzen.“

Abschließend wurde deutlich, dass zu Klimagerechtigkeit mehr als ein Kohleausstieg gehört. Es brauche Alternativen zum derzeitigen kapitalistischen Wirtschaftsmodell. Der bisherigen Praxis der Effizienzsteigerung und Verwertung muss eine Wirtschafts- und Gesellschaftsform entgegengesetzt werden, die ein gutes Leben für alle zum Ziel hat und die ökologischen Lebensgrundlagen erhält.

Damit werden sich Aktive aus der Klimagerechtigkeitsbewegung diesen Sommer auf dem Klimacamp im Leipziger Land befassen. Dort wird ebenfalls ein Fokus auf der drohenden Abbaggerung der Dörfer Pödelwitz und Obertitz liegen. Laut Pao-Yu Oei ist die unter Pödelwitz lagernde Braunkohle zur Versorgung des Kraftwerks Lippendorfs nahezu irrelevant. Da es aber aufwändiger und kostenintensiver sei, die Bagger um das Dorf herumfahren zu lassen, versuche man eben die Bewohner zum Auszug zu bewegen. „So kann der Bagger in einer gerade Linie fahren.“ Gegen diese kapitalistische Logik der Wachtums- und Effizienzsteigerung wollen wir auf dem Klimacamp protestieren.

Das 1. Klimacamp Leipziger Land findet vom 28. 07 bis 05. 08 in Pödelwitz statt. Es werden verschiedene Workshops zu den globalen Auswirkungen der deutschen Braunkohleverstromung und den Facetten des Klimawandels angeboten. Zusammen mit der Degrowth-Sommerschule werden wir diskutieren wie ein Leben ohne Kohle und Wachstumszwänge aussehen kann und was das gute Leben für alle eigentlich bedeutet. Auf dem Camp soll das gute Leben erprobt werden, basisdemokratisch und ressourcenschonend, mit guter Musik, gemeinsamen Essen und Feiern.